The Tasteful Weekend | Aberlour - unabhängig oder Distillery?

Haben unabhängige Abfüllungen noch eine Zukunft, macht es Sinn, Einzelfassabfüllungen zu kaufen? Klar, das sind pauschale Fragen, auf die es keine Antwort gibt. Trotzdem stelle ich fest, dass ich mich zunehmend über unabhängig abgefüllte Einzelfässer aufrege, die ich zwar häufig als Sample probiere, aber immer seltener als ganze Flasche kaufe. Warum das so ist, wird in diesem Tasting deutlich.

Peter Woessmann (Whisky Turntable) hat neulich zwei Aberlour geteilt (dessen Videos sind beim jeweiligen Tasting verlinkt). Der eine ein Distillery Exclusive, das über The Whisky Exchange bestellt werden konnte und zumindest auf der Insel zu einem vernünftigen Preis verkauft wurde. Das andere eine Signatory Abfüllung für Kirsch – eine Kombination, die mich inzwischen häufig erschreckt – sowohl vom Preis als auch von der Qualität.

Das Distillery Exclusive ist eine typische Aberlour Abfüllung. Recht dunkle Farbe, die aber auch natürlich sein könnte (keine Angaben), sherrylastig, süffig.

Und Signatory/Kirsch? Hauen wieder eine dieser Abfüllungen raus, die mich sofort zu einem Rant veranlassen. Ich hätte das Sample nicht kaufen müssen, ich weiß. Sammelserie, grottiges Etikett (Geschmacksache, ich weiß. Aber wer wissen will, wie heute relevante unabhängige Abfüllungen aussehen, schaut vielleicht mal bei den Thompson Bros. nach). Und natürlich ein unverschämter Preis. Das wäre alles ok, wenn es dafür auch erstklassige Qualität gäbe.

Früher bin ich davon ausgegangen, dass die unabhängigen Abfüller die guten Fässer bekommen, in denen sie dann New Make reifen oder Whisky finishen. Inzwischen denke ich oft, dass die Distilleries die besseren Fässer haben. Ok, es wird von der Firma abhängen – aber der Unterschied dieser beiden Abfüllungen ist schon eklatant. Beide sind 11 Jahre alt, beide Oloroso Sherry gereift. Und natürlich verwenden beide seasoned Casks, was sonst. Aber das Distillery Bottling macht Spaß und schmeckt, das Signatory Bottling macht Wut und nervt. Und ist zudem nicht mal ein Single Cask, sondern ein Vatting aus zwei Butts. Das hätte ja zumindest eine kleine Chance gegeben, über Blending an der Qualität zu schrauben.

Aberlour Distillery, Charlestown of Aberlour, Speyside | © Klaus Bölling, www.boelling.de

Es gibt inzwischen Distillery Bottlings, die nicht einfach Konzern Massenware sind. Gerade neuere Distilleries und unabhängige Distilleries stechen hier hervor, präsentieren ungefärbte und ungefilterte Whiskys mit höheren Prozentzahlen und toller Qualität. Und wahrscheinlich sind sie sogar im Vorteil, können aus einem größeren Fundus die guten Fässer für die ausgefallenen Bottlings heraussuchen und die mittelmäßigen im Standard verschwinden lassen. Die unabhängigen Abfüller müssen nehmen, was sie auf Lager haben oder was der Broker anbietet. Wenn man daraus eine Sammelflasche machen kann, ist das gut und garantiert die Abnahme der Folgebottlings. Und im besten Fall machen die wenigsten die Flasche auf.

Disclaimer: Ja, dies ist eine sehr persönliche Meinung, ja, das ist alles Geschmacksache – aber ich merke leider, dass ich mich inzwischen von manchen unabhängigen Abfüllungen verkaspert fühle und dass man mittelmäßige oder schlechte Qualität für Premiumpreise auf den Markt bringt. Das nervt mich, das musste ich hier mal schreiben – und das kann natürlich jede:r völlig anders sehen.

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