Krise? Boom? Was denn nun? | Fèis Ìle 2025

Letztes Jahr hatte ich den Beitrag zum Fèis Ìle mit ‚Dunkle Wolken über Islay‘ überschrieben. Nun scheinen sich die dunklen Wolken über der gesamten Industrie zu ballen. Hä? War da nicht neulich noch ein Boom und aus jedem Fitzelchen Kupfer wurde eilig eine neue Pot Still gedengelt? Vielleicht ist Islay als Brennglas für Schottlands Whisky ein guter Ort für ein paar grundlegende Gedanken zur Whiskywelt.

Aktuell gibt es zehn produzierende Distilleries auf Islay und vier weitere sind in Planung oder bereits im Bau – u. a. die geplante Gartbreck Distillery des Spirituosengiganten Pernod Ricard. Das allein zeigt die Irrationalität einer Branche, die ein Produkt produziert, das eher Planungshorizonte von 10 Jahren erfordert, die aber panisch auf jeden Quartalsabschluss starrt. Aber natürlich wird man die Spirituosenindustrie ebenso wenig zu einem nüchternen Blick auf die Realität auffordern können, wie uns Whisky Geeks.

Bleiben wir auf Islay und schauen auf unser aller Lieblingsdestille Ardbeg. Die haben jahrelang bunt verpackte Phantasieabfüllungen ohne Alter zu extremen Preisen auf den Markt gebracht, die Geeks konnten gar nicht schnell genug bestellen und die Server gingen down. Und in den Foren startete die unvermeidliche Diskussion über schlechte Qualität und übertriebene Preise, die dann mit dem Vorwurf von Neid, Gelaber vom ‚Markt‘ und ähnlichem gekontert wurde. Und auch für den extremsten Preis hat irgendjemand eine Entschuldigung gefunden. Zumindest solange, bis das Regal voll war und man feststellen musste, die xxte Sonderedition interessiert nicht mehr wirklich und in der Auktion gehen die Dinger unter Einkaufspreis weg. Und nun? Bekommen plötzlich alle Vlogger, von denen zuvor nur eine enge Auswahl ein Sample mit genauen Veröffentlichungsbedingungen erhalten hat, eine komplette Flasche des neuen Committee Releases und sogar die Blogger erhalten teilweise ein Sample und berichten begeistert. Ok, sie sind bei LVMH zumindest noch nicht so verzweifelt, dass auch dieser kleine Blog beglückt wird …

Von Caol Ila und Lagavulin hörte man vor Kurzem noch, sie gäben keinen Spirit mehr an unabhängige Abfüller ab und auch eine Familienbrennerei wie Kilchoman erhöhte die Kapazität und die Preise. Und wahrscheinlich hat man auch in der Industrie begeistert auf all die Bloggenden angestoßen, die, auf welcher Grundlage auch immer, mit der Formel ’10 € pro Jahr Reifung‘ Preise gerechtfertigt haben, die kurz zuvor undenkbar waren. Und jetzt plötzlich Katzenjammer? Was soll das?

Portnahaven, Isle of Islay | © Klaus Bölling, www.boelling.de

Irgendwann ist so ein Luftballon halt überdehnt und platzt. Und dann stellen alle erstaunt fest, hui, da war tatsächlich nur Luft drin. Und auch die verständnisvollsten Nerds merken, das Alter vielleicht doch eine Rolle spielt und Whiskys über 100 € den Etat massiv belasten – zumindest wenn die Rechtfertigung, das verkloppe ich zum doppelten Preis auf dem Zweitmarkt, nicht mehr zieht.

Die Islay-Blase dürfte weitgehend geplatzt sein. Hat noch jemand einen Überblick über die vielen Kilchomans? Mehr als 150 Abfüllungen gab es allein in der März Auktion von Kürger. Neben all den Originalen der Brennereien gibt es die starken Islay-Marken wie Finlaggan, Port Askaig, Scarabus, Classic of Islay, Elements of Islay, Mac-Talla und einige mehr. Wo soll sich da noch eine neue Brennerei einfügen? Und mit was für einem Profil? Denn mal ganz ehrlich: Wer kann die Rauchnoten blind wirklich immer voneinander unterscheiden? Schon für Ardnahoe dürfte es trotz guter Kritiken schwer sein, sich jenseits der ersten Neugier einen festen Platz zu sichern. Wo soll dann noch der Platz für Portintruan sein, die nach der Pleite des Baukonzerns ISG zumindest einen neuen Konstrukteur haben, der die Brennerei fertigstellen soll. Vielleicht können die kleineren wie Laggan oder Ili vom Tourismus leben – aber Gartbreck? Und ob es Diageo tatsächlich gelingt, Port Ellen zu einer Luxusmarke zu etablieren, deren Renommee wie bei Macallan allein auf alten, legendären Abfüllungen beruht, kann man wahrscheinlich auch mit einem Fragezeichen versehen.

Am Ende geht es ja um andere Dinge: Die Whiskyindustrie hat vor allem auf wachsende Märkte in Asien und sinkende Zölle in Indien gehofft. Und natürlich gleichzeitig auch dort Brennereien gebaut. Dabei geht es auch weniger um Single Malt, sondern um Massenmarken wie Johnnie Walker & Co.. Jetzt wächst der Markt nicht wie erwartet und die Whiskywelt verfällt in den Krisenmodus. Kapazitäten werden stillgelegt, Stellen abgebaut und es wird viel gejammert. Eigentlich wäre das der richtige Zeitpunkt für die Kilchomans und Ardnahoes mit Qualität und vernünftigen Preisen zu zeigen, dass sie den wirklich guten Islay Whisky machen. Dann kann Bowmore beruhigt weiter auf den Kaufwillen der Aston Martin Poser hoffen, denen es egal ist, wie viel Whisky zur Farbe kommt. Ob die Laphroaig Fans das auf Dauer auch akzeptieren, ist schon wieder eine andere Frage. 

Bruichladdich und Bunnahabhain sollten eigentlich eine eigenständige Marktposition haben und Ardbeg hat zumindest eine akzeptable Core Range. Da wird allerdings die Frage sein, wie lange die Fans deren Spagat zwischen dem Wunsch, imaginären Luxus zu verkaufen und der Realität, dreckigen Whisky auf einer wilden Insel zu produzieren, mitgehen. By the way: Wie viele Menschen gibt es tatsächlich, die rauchigen Whisky dauerhaft trinken und nicht nur als Trophäe ins Regal stellen? 

Caol Ila oder Lagavulin sind ohnehin Marken für die Supermärkte und zumindest für mich nur noch als unabhängige Abfüllungen oder als als Grundstoff für Whiskys wie Port Askaig oder Classic of Islay interessant. Höherwertige Abfüllungen direkt von Diageo gibt es entweder phantasievoll bepreist als Special-Release oder als freche Abzocke wie den Caol Ila 18. Der ist gefärbt und hat lahme 43,0%vol.. Allein die Preisrange zeigt, dass hier etwas schiefläuft. Im Frühjahr 2025 bekommt man den Whisky bei einem unbekannteren Online-Shop für unter 150 €, was ich für einen gefärbten, kühlgefilterten und zu dünnen Whisky nicht ausgeben würde. Die bekannteren Shops liegen bei 170 €, Whisky.de und der Holländer schon bei knapp unter 200 € und andere, die auch nicht den Ruf als unfaire Shops haben, liegen bei etwa 250 €. Schaut man sich bei Krüger Auktionsergebnisse aus 2025 und 2024 an, liegt der Preis eher zwischen 100 € und 90 € oder sogar darunter. Allein dieses Beispiel bestätigt mir wieder, warum originale Diageo-Whiskys bei mir quasi nicht mehr stattfinden. Wenn Kund:innen dann merken, dass sie verkaspert und abgezockt werden, schwindet aber schlimmstenfalls auch die Freude an der kompletten Kategorie Whisky.

Aber zumindest zum Fèis Ìle werden sicherlich alle wieder gepflegt durchdrehen, ominöse Festivalabfüllungen zu unglaublichen Preisen horten und so tun, als wäre die Whiskywelt in Ordnung.

Krise? Boom? Was denn nun? | Fèis Ìle 2025

Die Einzeltastings gehen zwischen dem 24. Mai und dem 31. Mai jeweils um 18 Uhr online