The Tasteful Weekend | Ardnamurchan - New Coastal Whisky
Die Whiskywelt spaltet sich gerade etwas auf. Da sind auf der einen Seite die Konzerne, vorneweg als dunkler Raubritter Diageo, die an ihren Massenprodukten, den Blends interessiert sind und von sich weiter öffnenden asiatischen Märkten träumen. Die wenigen Core Range Produkte, die man hat, werden in der Qualität herabgesetzt und preislich in absurde Höhen getrieben, interessante Abfüllungen gibt es als Special Release zu noch absurderen Preisen – aber irgendwelche Sammler werden sich die bunten Schachteln schon ins Regal stellen und niemals öffnen. Und unsere alten Highlights von früher, die immer im Regal standen, Talisker 10, Lagavulin 16? Ich will sie nicht mehr haben!
Und dann gibt es die Welt der neuen Distilleries, die mit der Welt der Konzerne nur wenig zu tun hat. Da geht es vornehmlich nicht um die Blends – und wenn, sind es ganz besondere. Da geht es tatsächlich um Single Malt, um Experimente mit Malz, Holz, Hefe, verschiedenen Destillationen und der Gärdauer. Eine dieser neuen Brennereien liegt völlig abgelegen auf einer Halbinsel an der Westküste und ist nur über schmale Single Track Roads erreichbar. Aber die Reise lohnt sich.
Ardnamurchan ist eine dünn besiedelte, wilde Halbinsel an der schottischen Westküste oberhalb der Isle of Mull. Von dort erreicht man sie mit der Fähre fast problemloser als über den Landweg. Aber ist man erstmal da, lohnt es sich auf jeden Fall zu bleiben. Wegen der großartigen Landschaft, der wilden Küste – und natürlich wegen der Destillerien. Zwei der spannendsten neuen Distilleries finden sich hier: Nc’Nean und noch ein Stückchen weiter westlich die Brennerei, die heißt wie die Halbinsel: Ardnamurchan.
Die Ardnamurchan Distillery hat erst 2014 mit der Produktion begonnen und gehört dem unabhängigen Abfüller Adelphi. Auch wenn man sich auf geschichtliche Wurzeln bezieht, die zurückreichen bis zur 1826 gebauten Loch Katrine Adelphi Distillery am River Clyde (deren Reste 1971 endgültig abgerissen wurden) – auch die Firma Adelphi ist jung. Der gute, alte Name wurde 1993 von Jamie Walker, einem Urenkel von Archibald Walker, der die Loch Katrine Distillery 1880 übernommen hatte, wiederbelebt. Das ist Heritage mit einigen Lücken – und eigentlich völlig egal.
Ardnamurchan ist eine moderne Distillery, daher besinnt man sich auf die bodenständige, handwerkliche Produktion, wenn auch mit kleinen Abstrichen. Es gibt einen eigenen Malzboden, es gibt einen Kiln – eigenes Malz wird bisher allerdings nicht produziert. Ardnamurchan legt, wie alle neuen Brennereien, großen Wert auf Nachhaltigkeit. Geheizt wird mit regionalen Wood Chips, entnommen wird nur die Holzmenge, die nachwachsen kann. Und natürlich setzt man auch recycletes Glas, Papier etc..
Anders als Nc’Nean hat sich Adelphi aber entschlossen, auch getorftes Malz zu verwenden. Und so gelingt es, einen Whisky zu produzieren, der auch mit seinem noch jungen Alter ein gewisse Komplexität und einen eigenständigen Charakter aufweist, der gut zu dieser Region an der West Coast passt. Die bisherigen Whiskys von Ardnamurchan sind keine Peat Monster, sie haben aber ein maritimen Funk und auch nach 5-6 Jahren schon eine ordentliche Reife. Ardnamurchan versucht möglichst transparent zu sein, über einen QR-Code auf der Flasche bekommt man Zugriff auf die wesentlichen Informationen zu den Abfüllungen, u. a. auch einem Sheet mit der Auflistung der in der Abfüllung verwendeten Fässer.
Die handwerkliche Produktion, die Qualität der bisherigen Abfüllungen und die Transparenz verschaffen der jungen Brennerei große Aufmerksamkeit bei den Whisky-Fans. Die Distillery wurde zur besten neuen Distillery 2022 bei den Online Scotch Whisky Awards (OSWAs) gewählt, das aktuelle Sherry Cask Release ist stark nachgefragt und wird vielfach gehypt. Es bleibt zu hoffen, dass der Hype sich besser in Grenzen hält als bei Springbank, die sicherlich eine Art Role Model für neue Brennereien wie Ardnamurchan sind. Denn es wäre sehr schade, wenn die wunderbaren Ardnamurchan Whiskys nicht mehr normal erhältlich wären. Und es bleibt zu hoffen, dass es mit den Jahren auch ältere und reifere Abfüllungen zu erschwinglichen Preisen gibt, denn die könnten großartig werden.
