Wunderreifungen, mofiktische Formeln und mittelmäßiger Whiskey

Seven Seals – entsiegelt und entzaubert

Alchemisten, Zauberer und Destillateure – wahrscheinlich sind hier geschichtlich die Gemeinsamkeiten sehr groß. Nun sollten wir seit der Aufklärung alle ein gutes Stück klüger geworden sein, eben aufgeklärter. Aber natürlich wissen die Aufgeklärten unter uns, dass auch dies nur eine Illusion ist. Und wie ist es mit unseren Illusionen als Whisky-Nerds? Wir wissen, dass Alter nicht alles ist und dass ein gut gereifter alter Whisky dem heiligen Gral ziemlich nahe kommt. So widersprüchlich kann die Wahrheit sein. Genau das ist die Stunde der Alchemisten, die reifen Whisky ohne Alter herstellen wollen, wenn sie es schon nicht schaffen, Gold ohne Gold zu machen.

Es gibt die Klassiker, die es recht transparent mit sogenannten aktiven Fässern versuchen – also Fässern, in denen noch ein guter Rest eingetrockneter Süßwein auf den Fassdauben klebt, die jungen Whisky in kurzer Folge in eine Vielzahl von Fässern gießen oder die Fässer immer kleiner werden lassen, damit intensiver Holzkontakt entsteht. Kann alles funktionieren – hebelt den Faktor Zeit aber nur scheinbar aus, wenn man die Ergebnisse dann ehrlich betrachtet.

So stellen wir uns die Reifung von Whisky vor: Alte Fässer im düsteren Dunnage Warehouse, hier bei Edradour/Signatory oberhalb von Pitlochry in den Highlands | © Klaus Bölling, www.boelling.de

Stunde der Alchemisten

Und dann gibt es die echten Alchemisten, die wundersame Maschinen erfinden, durch die sie den Whisky pumpen, allsamt geheimnisvoll, die mit Druck, Hitze und Ähnlichem experimentieren, die hymnische Artikel in offiziellen und sozialen Medien bekommen und dann schnell wieder sang- und klanglos verschwunden sind.

Bis nach einiger Zeit die nächsten geheimnisvollen Reifemeister:innen auftauchen und wieder ganz innovativ den Stein der Weisen gefunden haben, die Whiskywelt revolutionieren, alle Wahrheiten auf den Kopf stellen – aber natürlich niemandem verraten können, wie das geht, weil ja Patente gesichert werden müssen und all die bösen Neider hinter jedem Fass lauern. Aktuell spielt diese Karte die Seven Seals Innovation AG mit Sitz in Stans in der Schweiz, die auch mal als Seven Seals Distillery AG firmierte, bis man wahrscheinlich bemerkte, dass das Destillieren von Whisky ein viel zu mühsamer und unwirtschaftlicher Vorgang ist. Mastermind ist Dolf Stockhausen, ein Unternehmer, der laut einem Artikel der Weltwoche vom 09.01.2019, der auf der Website www.7sealswhisky.com dokumentiert wird, Deutschland im Groll verlassen hat, weil das Land „hoffnungslos sozialistisch“ geworden sei. Na klar …

Die umtriebigen Herren Stockhausen und Murray

Wie auch immer, der umtriebige Herr Stockhausen hat also ein Verfahren gefunden, die Reifezeit des Whiskys phänomenal zu verkürzen, dass er natürlich nicht verraten kann wg. Patente und so. Die ersten Produkte stammten wohl noch aus der Schweizer Langatun Destillerie und haben natürlich sofort massiv Awards bekommen. Aber die hat Queen Margot 8 auch. Selbstverständlich verortete auch Jim Murray den Whisky in der Liga seiner ‚Whiskys des Jahres‘ (steht auch im Artikel der Weltwoche) – also vergleichbar mit stinknormalem kanadischen Industrie-Whisky.

Und wie sieht dann die Wirklichkeit aus? Mit Glück habe ich beim Gewinnspiel eines netten Whiskyhandels auch ein Sample-Set mit drei Proben von Seven Seals gewonnen, da ich mir den Whisky aufgrund meiner Voreingenommenheit selbst nicht gekauft hätte. Voreingenommenheit ist natürlich keine gute Voraussetzung für ein neutrales Tasting. Richtig! Dies wird auch kein neutrales Tasting. Also fallen wir mit der Tür ins Haus: Dieser Whisky ist ein Ärgernis!

Der Whisky kommt auch nicht mehr aus der Schweiz, er kommt wohl von der Great Northern Distillery in Irland. Dort produziert John Teeling seit 2015 Whiskey, der also auch noch nicht alt sein kann und weltweit an andere Produzenten verkauft wird. Das schreibt man aber bei Seven Seals nicht aufs Etikett. Klar, wegen Sieben-Siegel-Geheimnis und so. Natürlich hat man eine gute Werbeagentur, die das Ganze tatsächlich sehr schön und wertig aufbereitet, das Begleitheft ist in mystisch-dunklen, grau-schwarzen Tönen gehalten, erzählt viel von der jahrtausendealten Tradition der Whiskyherstellung und dem Mangel an guten Fässern, dem man nun innovativ begegnet. Wie man das macht? Mit einer mofiktischen Formel, die ein wenig nach Einsteins Relativitätstheorie aussieht, in Wirklichkeit aber relativer Quatsch ist.

Die Nonsense-Formel und mittelmäßiger Whisky

Wenn wir dann von der Relativität zur Realität gehen, haben wir einen jungen – wahrscheinlich irischen – Whiskey, der im geheimnisvollen Fast Forward Finishing mit vorbehandeltem Holz traktiert wurde. Da es auf der Website von Seven Seals keine wirklichen Infos gibt, auch keinen Hinweis auf Great Northern, muss man im Internet andere Quellen suchen. Der Whisky Botschafter könnte dabei ausreichend seriös sein: https://www.whiskybotschafter.com/news/details/interwhisky-2021-die-aussteller-und-ihre-whisk-e-ys.

Dort erfährt man, dass der 2 ½-fach destillierte, also relativ hochprozentige und reine Great Northern Spirit nach drei Jahren im Bourbon Fass „das spezielle, überaus beschleunigte Reifeverfahren in der Schweiz“ durchläuft. Dabei kommt das heraus, was bei solchen Verfahren herauskommt, wenn man das Gedönse mal beiseite lässt: Ein gut trinkbarer, generischer Whisky (oder Whiskey), der sich ganz lecker wegschlürfen lässt, dem aber Eigenständigkeit, Charakter und Tiefe fehlen. That’s it, schon sind die Siegel gebrochen. Rocket Sience? Never!

Ist das alles wirklich neu? Keine Ahnung. The late Dr. Jim Swan erzielte mit den ausgeschabten und neu ausgebrannten STR-Casks transparentere und eigenständigere Ergebnisse. Immerhin kostet eine Flasche des undurchsichtigen Seven Seals über 60 € – ein stolzer Preis für NAS-Massen-Whiskey aus der irischen Schweiz (oder doch von der schweizer Westküste?). Bei Glenturret z. B. bekommt man für 10 € weniger toll gereiften 12jährigen Whisky mit schöner, natürlicher Farbe in einer Designflasche. Integrity Whisky mit vollem, eigenständigem Aroma und Geschmack. Und wer ganz leckeren aber auch recht jungen Great Northern Whiskey in Cask Strength aus dem Einzelfass möchte, wird für 5 – 6 Euros mehr bei Mareike Spitzers Fairy Casks fündig, die ebenfalls wesentlich integreren Irish Single Mal bieten. Time matters, really! Aber wie gesagt – das alles habe ich mit großer Voreingenommenheit als persönliches Statement geschrieben …

 Klaus Bölling, März 2022