The Tasteful Weekend | Wolfburn - offene Tore, offene Fragen
Wolfburn, eine Distillery hoch im Norden in der umtriebigen Hafen- und Fährstadt Thurso, established 1821. Da erwartet man verwitterte Gemäuer, schwarze Lagerhäuser, maritim gereifte, alte Whiskys. Nun ja: Es war einmal eine Distillery, die 1821 gegründet wurde und schnell wieder verschwand, von der man wenig weiß und keinen Whisky kennt, von der allenfalls ein paar Fundamentreste geblieben sind. Von wegen Heritage – mit der heutigen Brennerei hat das nichts zu tun.
Die ist auf einem anderen Grundstück, liegt außerhalb von Thurso im Gewerbegebiet, eine graue Metallhalle, nicht zu unterscheiden von den benachbarten Betrieben. Was gar nicht schlimm ist, denn inzwischen hat man die Tore geöffnet, der Blick auf die Brennblasen ist frei und einfach mit ein paar Sperrbändern von der Produktion abgetrennt ist ein kleiner Shop. Das ist niederschwellig und viel wichtiger als längst verschwundene Heritage.
Der Norden Schottlands ist keine weitgehend entrückte, einsame Landschaft mehr. Spätestens seit der Etablierung der NC 500, der Route, die entlang der Westküste, Nordküste und Ostküste eine spektatkuläre Verbindung der Küsten nördlich von Inverness schafft. Luxusschlitten, Cabrios und schnelle Flitzer, viele Motorräder und Wohnmobilisten, die ausblenden, dass die Straße manchmal eine Single Track Road ist, auf der es ratsam wäre, das gemietete Wohnmobil auch rückwärts bewegen zu können. Aber keine Bange, nur eine Nebenstraße weiter ist der Norden wieder einsam und eigen.
Wolfburn Distillery ist noch die nördlichste Whiskybrennerei auf Mainland Scotland mit fertigem Whisky im Angebot, aber andere sind bereits ein wenig näher an die Küste gerückt und hoffen, dass ein paar der Touristen, die die Nordschleife fahren, auch am Whisky interessiert sind.
Wolfburn hat eine Vielzahl von Abfüllungen auf den Markt gebracht, es gibt eine Core Ragne, allsamt WEhiskys ohne Altersangabe. Aber inzwischen hat die Distillery ihren ersten 10jährigen Whisky abgefüllt, der Teil der Range werden soll, immerhin ein Statement für die Etablierung und das Erwachsenenwerden der Distillery.
Nicht weit entfernt liegt an der Nordküste Castle of Mey, ein Castle, das Queen Mum bewohnt hat. Zum Castle gehört ein eindrucksvoller Walled Garden und ein Park inmitten der kargen, nördlichen Landschaft mit vielen kleinen Crofts und einigen Höfen, die Rinderzucht betreiben. Auch Charles und Camilla waren hier immer mal wieder zu Gast, Charles hat die Wolfburn Distillery 2019 besucht. Für die Brennrei ist das der Anlass, zur Krönung von King Charles einen eigenen Whisky zu veröffentlichen.
Ich habe hier einige Whiskys von Wolfburn verkostet – überzeugen konnte mich die Brennerei bisher nicht. Dabei trifft sie eigentlich voll mein Beuteschema: Sie liegt im Norden, macht ehrlichen Whisky ohne Farbe und Kältefiltrierung, Produktion, Reifung und Abfüllung erfolgen vor Ort – da schlagen die Nerd-Herzen höher. Dann bleiben aber auch viele Fragen offen: Warum sind die Whiskys oft so schlecht gereift, so jung, rass und aromenschwach? Das zumindest ist mein Eindruck bei vielen der Abfüllungen.
Trotzdem bin ich immer wieder auf der Suche nach guten Wolfburns. Ein Whisky zur Krönung und der erste 10jährige in der Core Range sollten hier punkten können, oder?
