What the funk? Was ist Campbeltown Funk?
Die Whiskys von der Halbinsel Kintyre
Campbeltown, die etwas angeschrammte Hafenstadt am Ende der Halbinsel Kintyre, hat eine wechselhafte Whiskygeschichte. Von einst über 30 Brennereien sind drei geblieben: Springbank und Glengyle (Kilkerran), die der Mitchell Familie gehören und Glen Scotia, das zur Loch Lomond Group mit ihren chinesischen Investoren gehört. Aber auch auf Kintyre sollen neue Brennereien entstehen. R&B (Raasay und Borders) investiert auf einer Farm außerhalb der Stadt, die Mitchell Familie plant eine weitere Distillery und in Hafennähe gibt es ebenfalls Pläne für eine weitere Brennerei. Denn der Campbeltown-Whisky ist begehrt. Und er hat eine eigene DNA, eine wiedererkennbare Note, oftmals unabhängig davon aus welcher der drei Destillen er nun stammt. Ist das das berühmte Terroir, nach dem alle suchen? Und was macht dieses eigenständige Aroma eigentlich aus?
Die Beschreibung von Aromen ist kompliziert, denn wir können ein Aroma nur mit der Assoziation von anderen Aromen beschreiben. Ein guter Sherry-Whisky hat dann die Aromen von reifen Kirschen, Orangenschalen und gerösteten Nüssen – auch wenn nichts davon im Whisky ist. Aber was denken Außenstehende, wenn Whisky-Nerds mit funkelnden Augen über Kuhstall-Aromen philosophieren? Könnte zumindest zu seltsamen Blicken führen. Die Maltheads denken dabei an Bruichladdich oder eben die Whiskys aus Campbeltown.
Die besondere Aromatik der Campbeltown Whiskys
Man kann die Noten natürlich auch mit erdig, feuchtem Sackleinen bis hin zu maritim mit verrottendem Kelp beschreiben, zu dem ein Hauch öliges Brackwasser aus dem Hafen kommt. Spooky sind die Noten auf jeden Fall – oder sind sie funky? Auf jeden Fall machen sie den Whisky interessant und sind ein Erkennungsmerkmal für einige Whiskys. Die Whiskys der drei derzeit aktiven Distilleries in Campbeltown haben alle diese besondere Aromatik, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Es ist der besondere Campbeltown-Funk.
‚Funk‘ hat sich in der Whiskyszene als Begriff für die ‚schmutzigeren‘, robusteren Aromen durchgesetzt – bleibt aber schwer zu definieren. Das Oxford Dictionary bietet eine interessante Definition (allerdings als altmodisch nordamerikanisch) an: A strong musty smell of sweat or tobacco, was ja auch ein wenig funky (irre) ist. Auf der großartigen neuen Seite https://www.dramface.com/, hinter der u. a. auch Roy Duff von www.aqvavitae.com steht, gibt es ein Feature über Campbeltown Funk. Die Distillery-Manager der drei Destillen beschreiben die Eigenheit vor allem aus der handwerklichen Art, in der in allen drei Distilleries produziert wird. Ausschlaggebend ist dabei eine lange Fermentationszeit und langsame Destillation in relativ kleinen Stills. Eher fraglich ist, ob auch die Umgebung eine entscheidende Rolle spielt. Klar ist Campbeltown umgeben vom Atlantic und die derzeitigen Brennereine lagern einen Großteil des Whiskys vor Ort. Und sicherlich hat das auch Auswirkungen auf die Vergärung in den relativ offenen Washbacks. Auf der anderen Seite gibt es auch maritimen Whisky, der nach der Destillation sofort in Tankwagen in die riesigen Lagerhauskomplexe auf Scotland Mainland gebracht wird.
Ein eigenständiges Terroir in Campbeltown?
Die Vergleichbarkeit der Stile verschiedener Destillerien einer Region basiert wahrscheinlich weniger auf den vergleichbaren Umgebungsbedingungen als auf einer vergleichbaren Produktionsweise und dem personellen Austausch zwischen den Brennereien, was sich in der modernen Whiskywelt zunehmend auflöst. Ein regionaltypischer Stil war ein Verkaufsargument für den Handeln mit den Blendern, die eben diesen typischen Stil suchten, um ihre Blends konsistent herstellen zu können. Heute gilt es eher, den eigenständigen Stil für den Single Malt zu finden.
Also hat der Campbeltown-Whisky mit seinem Funk sicherlich auch ein eigenständiges Terroir, das aber nur zum kleineren Teil von den Umweltbedingungen der Region getragen wird, sondern eher auf dem vergleichbaren Stil und Equipment, mit dem die Brennereien ihren Spirit erzeugen und reifen, basiert. Das macht die Whiskys dann mehr oder weniger regionaltypisch und deshalb schauen wir dann begeistert auf das abgelegen am Ende der Kintyre Halbinsel gelegene Campbeltown mit seinen handwerklich arbeitenden Brennereien. Und natürlich passt dieser Funk, der dem Whisky Kanten und Ecken gibt auch gut zur Hafenstadt, die diese Ecken und abgeschabten Kanten ebenfalls aufweist. Spannend wird werden, wie die neuen, angekündigten und geplanten Distilleries in und um Campbeltown diesen speziellen Funk der Hafenstadt für sich definieren werden. Oder ob sie sich mit einem eigenen Style abheben wollen.
Klaus Bölling, April 2022