All good things come in threes | The West is the Best

Es gibt in Schottland inzwischen so viele neue Destillerien, dass man fast die Übersicht verliert. Wie wollen die alle ihren eigenständigen Charakter finden, ihren USP, der die Fans an die Marke bindet? Bei mir funktioniert das auch über die Lage der Distillery. Ich habe da meine eigene Nerd-Arroganz und Ignoranz. All die neuen Lowland Distilleries interessieren mich z. B. nur am Rande – also so wie die Lowlands als Reiseziel. Und dass das eine problematische, falsche Einstellung ist, weiß ich natürlich selbst.

Dafür interessiert mich die West Coast um so mehr, die Inseln ohnehin. Und dort gibt es einige interessante neue Brennereien, die abgelegen in grandiosen Landschaften eigenständige Whiskys produzieren. Da ist zum Beispiel die Harris Distillery, der neue Star der Outer Hebrides. Und weiter südlich an der West Coast oberhalb der Isle of Mull liegen auf zwei benachbarten Halbinseln Ardnamurchan und Nc’Nean. Die beiden Distilleries sind nur 8 km Luftlinie voneinander entfernt – die Fahrstrecke zwischen beiden beträgt 80 km. Aber genau das ist halt etwas anderes als eine Brennerei irgendwo am Rand von Glasgow.

All Good Things Come in Threes – aller guten Dinge sind Drei. Warum? Weil drei Whiskys besser sind als kein Whisky …

The Hearach – Single Malt von der Isle of Harris

The Hearach ist der erste Single Malt der Harris Distillery in Tarbert auf der Isle of Harris. Und er trägt stolz den gälischen Namen der Einwohner dieser Insel der Äußeren Hebriden. Wer wissen will, wie man den Namen richtig ausspricht, ist hier richtig: Say ‚The Hearach‘. Schon architektonisch ist die Brennerei ein Statement. Sie liegt im Hafen von Tarbert, ist also eines der ersten und beeindruckendsten Gebäude, das man sieht, wenn man mit der Calmac-Fähre aus Uig auf der Doppelinsel Harris and Lewis anlegt. Gleich nebenan ist der Store für Harris Tweed – das ikonische Produkt der Hebriden.

Harris Distillery, Tarbert, Isle of Harris | © Klaus Bölling, www.boelling.de

Die Harris Distillery ist mehr als eine der üblichen Whiskybrennereien, die zu irgendeinem Konzern gehören. Die Brennerei ist unabhängig und sie versteht sich als Social Distillery. Man sieht sich in der Verantwortung, qualifizierte Arbeitsplätze für die Menschen auf der Isle of Harris zu schaffen, die ansonsten ihre Heimat verlassen müssten, um ihren Lebensunterhalt verdienen zu können.

Die Brennerei produziert seit 2015 und hat tatsächlich acht Jahre gewartet, bis sie den ersten Whisky auf den Markt bringt. Andere sind mit drei Jahren dabei, egal, ob der Whisky dann schon genussfähig ist. Die Harris Distillery hatte das Glück, einen eigenen Gin zu entwickeln, der durch die Zugabe von Kelp aus den Gewässern rund um die Insel einen besonderen Geschmack hat. Und der in einer hervorragend designten Flasche auf den Markt kommt. Dieser Gin hat so eingeschlagen, dass die Distillery es sich wirtschaftlich leisten konnte, zu warten.

Auch The Hearach kommt in einer besonderen Flasche mit horizontalen und vertikalen Linien auf jeweils zwei Seiten. Schaut man durch die Flasche hindurch, erscheint ein Gewebe und eine Reminiszenz an den Harris Tweed. Oder ist es das Gold der sich im bewegten Atlantic spiegelnden Sonne? Es sieht jedenfalls großartig aus, da muss man dann auch nichts mehr zur nicht ganz so gelungenen Umverpackung sagen. Anders als andere neue Brennereien hat man sich beim Inaugural Release auch nicht auf wenige hundert Flaschen beschränkt, die zu einem unverschämten Preis auf den Markt kommen. Hier sind es immerhin acht Batches mit jeweils über 12.000 Flaschen. So kann man den Bottle Flippern auch ein Schnippchen schlagen.

The Hearach ist lightly peated, was bei einem noch jungen Whisky – abgefüllt werden mindestens fünf Jahre alte Fässer, die ältesten enthaltenen Whiskys sind acht Jahre alt – für Tiefe und maritimen Charakter sorgt. Der Whisky wird auf Harris gelagert und abgefüllt, auch das ist Terroir, selbst wenn die Gerste und der Torf nicht von den Outer Hebrides stammen.

Ardnamurchan – Single Malt von der Ardnamurchan Halbinsel

Schottland mangelt es nicht an abgelegenen, grandiosen Landschaften. Aber Ardnamurchan ist schon besonders abgelegen und schwer zu erreichen. Wenn die Corran Ferry über eine Engstelle von Loch Linnhe defekt ist, wie es leider 2023 der Fall war, ist ein stundenlanger Umweg über kleine Single Track Roads notwendig. Aber auch mit der Fähre führt der Weg nach Westen über kleine Gassen aber durch grandiose Landschaften, bis man in Glenbeg bei der Brennerei ankommt. Die Brennerei liegt oberhalb von Loch Sunnart, dort wo dieses in den Sound of Mull übergeht. Tobermory liegt quasi gegenüber und ist auf dem Landweg sehr weit entfernt.
Ardnamurchan Distillery, Glenbeg, Ardnamurchan | © Klaus Bölling, www.boelling.de

Ardnamurchan ist ebenfalls eine der neuen Distilleries, die 2014 ihren ersten Spirit produziert hat. Die Brennerei produziert sowohl peated als auch unpeated Spirit. Natürlich setzt man auch hier auf eine nachhaltige und CO₂-neutrale Produktion. Auf ihrer Website bezeichnen sie sich als Scotland‘s greenest Distillery. Sicherlich streiten sich eher mehrere Distilleries um diesen Titel, was angesichts des großen Energie- und Wasserbedarfs der Brennereien ein gutes Zeichen für das Umweltbewusstsein der neuen Distilleries ist. Ardnamurchan nutzt Holzchips, die aus lokalem Holz produziert werden. Bei der Aufforstung setzt man im Gegensatz zur Vergangenheit auf ursprüngliche Baumarten und nicht nur auf schnellwachsendes Nadelholz.

Durch den Anteil von peated Whisky, der den Abfüllungen zugefügt werden kann, produziert Ardnamurchan einen robusten West Coast Whisky, der zunehmend Zuspruch findet. Es ist ehrlicher, handgemachter Whisky. Ardnamurchan hat zwar einen eigenen Malzboden und einen funktionsfähigen Kiln. Bisher wird aber kein eigenes Malz produziert. Ardnamurchan nutzt die Möglichkeiten der digitalen Welt, die Daten jeder Flasche können online angerufen werden. Dort wird dann die genaue Zusammensetzung der Abfüllungen angezeigt. Für reine Genießer mag das uninteressant sein – für die Geeks ist es großartig.

Aktuell wurde die Brennerei bei den Online Scotch Whisky Awards zum dritten Mal zur besten neuen Distillery ernannt. Und bei der Kategorie beste Distillery wurden sie hinter Springbank Zweite. Das zeigt den Status der Brennerei bei den Whisky-Fans.

Nc’nean – Single Malt von der Movern Halbinsel

Am Sound of Mull auf der Movern Halbinsel liegt Nc’nean quasi gegenüber von Tobermory. Von Ardnamurchan auf der gleichnamigen Halbinsel trennt die Distillery Loch Sunnart. Nc’nean ist etwas jünger und seit 2017 aktiv. Auch bei dieser Distillery steht die Nachhaltigkeit im Vordergrund. Die Distillery ist bio-zertifiziert und vor allem als erste Distillery zertifiziert CO₂-neutral. Mit der Gründerin Annabel Thomas setzt die Distillery auch einen klaren weiblichen Schwerpunkt.

Nc'nean Distillery, Movern | © Klaus Bölling, www.boelling.de

Ähnlich wie bei Ardnamurchan setzt die Brennerei bei der Energieversorgung auf Holzchips, die auf dem eigenen Estate produziert werden. Auch hier steht nachhaltige Waldwirtschaft im Vordergrund. Alle Prozesse der Herstellung inklusive Logistik etc. fließen in die CO₂-Bilanz ein. Nc’nean ist konsequent und verzichtet daher aus ökologischen Gründen auch auf Torf, was bei jungen Whiskys zu einem Problem werden kann. Dier Distillery ist eine der Brennereien, deren Entwicklung der verstorbene Dr. Jim Swan mitgestaltet hat, daher gehören STR-Fässer auch hier zum Repertoire, die bereits jungen Whiskys ausreichend Fassaromen geben sollen.

Bei den Destillaten setzt Nc’nean eher nicht auf raue West Coast Whsikys sondern produziert mit langer Fermentation und langsamer Destillation eher fruchtig-feine, florale Spirits. Dies unterstreicht auch die Aufmachung mit einer nachhaltigen Flasche aus Recyclingglas mit floralem Dekor, die sicherlich zu den schönsten verfügbaren Bottles gehört.

Nc’nean ist die jüngste der drei hier betrachteten Brennereien, daher sind auch die verfügbaren Bottlings sehr jung. Trotzdem versucht die Brennerei auf dem Markt präsent z u sein. Neben einem Organic Single Malt, der als Standard-Whisky immer verfügbar ist und aus STR-Rotweinfässer, ex-Bourbon American Oak und wenigen Sherryfässern zusammengesetzt ist, gibt es jährlich zwei limitierte Abfüllungen. Im Frühjahr die Huntress Serie mit einem experimentellen Ansatz wie z. B. der Verwendung verschiedener Hefen und im Herbst die jeweils einer/m Mitarbeiter:in gewidmete Quiet Rebels Serie. Aus meiner Sicht sind all diese Abfüllungen noch wesentlich zu jung.

Ich hoffe sehr, Nc’nean legt genug Whisky zurück, um bald mit wirklich gereiften Abfüllungen auf den Markt zu kommen. Die derzeitigen Abfüllungen können sicherlich mit ihrer Story und ihrer Aufmachung punkten – die Whiskys können es noch nicht. Das wird sich ändern müssen, wenn die Brennerei sich unter den neuen Distilleries durchsetzen will.

The West ist the Best?

Allen drei Distilleries ist gemein, dass sie integren Whisky produzieren wollen, dass sie eine reale Story haben, dass sie Whisky nicht für irgendwelche fernen, reichen Märkte, sondern auch für die Menschen vor Ort produzieren. Den Konzernen ist Schottland weitgehend egal, Europa sowieso. Die schauen auf Asien, auf Indien, auf reiche Kunden, die ein Luxusprodukt kaufen wollen. Die verkaufen Glamour und Schein und feiern das in Kathedralen wie der neuen Macallan Distillery. Diese drei Brennereien an der Westküste und auf Harris sind anders – sie produzieren Whisky, interessieren sich für ihre Umgebung und die Menschen, die dort leben.

Unter den neuen Distilleries haben alle drei sich sicherlich inzwischen einen Status erarbeitet, Ardnamurchan fällt bald mit einem Alter von 10 Jahren nicht mehr unter den Status der wirklich jungen Distilleries. Und auch die Harris Distillery ist bald so weit – auch wenn sie gerade erst den ersten Whisky auf den Markt gebaracht hat.

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