Really a Dream? | A Dream of Scotland

Ein deutscher Abfüller mit Hysterie- und Hype-Faktor - aber taugen die Abfüllungen?

Whisky-Nerds sind seltsame Wesen. In Facebook-Foren munkeln sie über Kekse, die gerade erschienen sind, kurz später kommen bittere Klagen derer, die keine Kekse bekommen haben. Dann folgen Fotos mit mindestens vier Flaschen eines Whiskys, der scheinbar der ominöse Keks ist und von dem jede:r Kund:in nur zwei Flaschen ordern konnte. Dann natürlich weitere bittere Klagen derer, die keine einzige Flasche haben und Screenshots von Ebay, wo diese Flaschen für den doppelten Preis angeboten werden. Ein Ritual, das sich alle paar Wochen wiederholt und für einen Tag Aufregung in den Foren gut ist. Dann kehrt wieder Ruhe ein bis zum nächsten Keks-Alarm. Whisky-Nerds sind eben seltsame Wesen …

© Klaus Bölling, www.boelling.de

Für alle, die jetzt noch rätseln – es geht um die Abfüllungen des Brühler Whiskyhauses von Marco Bonn, die unter dem Label ‚A Dream of Scotland‘ erscheinen. Oft kommen sie mit nur kurzer Vorankündigung und ohne genaue Zeitangabe, wann sie im Shop erhältlich sind. Aber erhältlich sind sie trotzdem nur kurz, denn meist sind sie nach wenigen Stunden ausverkauft. Aber woher rührt dieser Hype? Sind die Abfüllungen tatsächlich so außergewöhnlich?

Steam-Punk, Zombies und Kitsch | Etiketten mit eigener Ästhetik

Außergewöhnlich sind auf jeden Fall die Etiketten der Abfüllungen, für die Marco Bonn im Laufe der Jahre eine eigene Ästhetik gefunden hat. Sie fallen auf, manchmal polarisieren sie. Egal ob Steam-Punker:innen im Weltall oder Zombies mit Grandezza, die Wiedererkennbarkeit ist hoch und die Etiketten machen sicherlich einen Teil des Erfolgs aus. Natürlich werden auch sie immer wieder in den Foren diskutiert: Sind die Frauen zu sexy, muss den Zombies die Haut vom Schädel platzen? Zumindest gab es in der Whiskywelt bisher sicherlich keine Zombies mit mehr Noblesse als die der 2021er South Islay Serie.

Dabei malt Marco Bonn die Motive nicht selbst, sondern kauft sie in Internet-Börsen von anderen Künstler:innen auf. Allerdings bearbeitet er sie mit großem grafischem Geschick zum endgültigen Etikett mit der Identität von A Dream of Scotland weiter.

© Klaus Bölling, www.boelling.de

Etiketten und Hype, ok. Aber was taugen die Whiskys?

Im Gegensatz zu anderen Händler, die mal eigene Abfüllungen von Destillerien oder unabhängigen Abfüllern nur für ihren Laden bekommen, hat das Brühler Whiskyhaus tatsächlich eigene Fässer und reift Whiskys fertig oder verpasst ihnen ein eigenes Finish, um sie dann abzufüllen. Das geschieht zum Teil in Lagerhäusern in Schottland – inzwischen gibt es aber auch Whiskys aus Irland oder Wales und weitere Länder werden dazu kommen. Zum Teil wird auch in Deutschland nachgereift oder abgefüllt. Deshalb fehlt auf den Etiketten meist das Wörtchen Scotch, das nur verwendet werden darf, wenn ein Whisky in Schottland destilliert, gereift und in die Flasche gefüllt wird, obwohl die meisten der Abfüllungen diese Kriterien erfüllen.

Marco Bonn neigt bei seinen Whiskys zum kräftigen Finish, oftmals sind die Whiskys schwer und süß. Das gelingt nicht immer, manchmal ist das Ergebnis zu eindimensional, zu süß, zu fassbestimmt. Aber es gibt hervorragende Abfüllungen, insbesondere die rauchigen Islay-Whiskys sind oft großartig. Es gibt ein paar tolle Caol Ilas, die mit Destillerie-Namen erscheinen, es gibt aber auch mysteriöse South Islay Abfüllungen auf deren Etikett die Jahreszahl 1816 in der Grafik versteckt ist. Und 1816 wurde nur eine der drei South Islay Distilleries gegründet. Ardbeg und Laphroaig sind es nicht … Gerade diese South Islay Whiskys sind oft ganz besonders lecker. Es gab auch schon hervorragende Bruichladdichs, es gibt auch mal geheimen Ardbeg – Marco Bonn scheint ein paar gute Quellen zu haben.

Bei allem Hype bleiben die Preise weitgehend im Rahmen – wenn man das heute noch so sagen kann. Zumindest im Vergleich zu den Signatory ‚Blumenvasen‘ der Cask Strength Collection oder Preistreibern wie den inflationär herausgeworfenen Highland Park Säckchen, sind die Preise fair. Die allgemeine Entwicklung auf dem Whiskymarkt macht natürlich auch hier nicht Halt und die Abfüllungen werden immer teurer. Da ist es gut, einen zuverlässigen Flaschenteiler zu haben. Auch das Whiskyhaus selbst bietet die Whiskys in der 0,1 l Flasche an. Nur Sample probieren und dann bestellen geht nicht. Da sind zu viele Krümelmonster hinter den Keksen her …

© Klaus Bölling, www.boelling.de

Und was soll das mit den Keksen?

Und was haben die Whiskys nun mit Keksen zu tun? Das ist folgendermaßen … Ach nee, bleibt ein Geheimnis von uns Nerds. Weil Whisky-Nerds halt seltsame Wesen sind … Sláinte

Klaus Bölling, Mai 2022

Disclaimer: Diese Veröffentlichung wird vom Brühler Whiskyhaus weder unterstützt, gefördert noch anderweitig gesponsort. Alle Whiskys stammen aus selbst gekauften Flaschen oder Flaschenteilungen.

Whisky-Tastings der A Dream of Scotland Week 16. - 22. Mai 2022

Brühler Whiskyhaus

Das Brühler Whiskyhaus ist durchaus ein eigenständiger deutscher unabhängiger Abfüller. Marco Bonn hat eigene Fässer, die in Schottland lagern und die er individuell finisht und reift. Er ist also nicht nur auf Broker angewiesen, sondern kann auf eigenen Stock zurückgreifen. Das führt zu eigenständigen und interessanten Abfüllungen, die über eine verschworene Internet-Community schnell vergriffen sind und – sicherlich auch aufgrund der eigenständigen, manchmal provokativen Label – stark gehypt werden. Gute Abfüllungen!