Five in a Row | Der beste Edradour?

Edradour ist eine Distillery, die manchmal schwer zu greifen ist. Es gibt jede Menge Abfüllungen aus den unterschiedlichsten Fässern, viele Nachreifungen aus Weinfässern. Aber gibt es eine Core Rage? Es gibt tatsächlich eine 10jährige Standardabfüllung. Abgefüllt mit 40%vol., kühlgefiltert, immerhin nicht gefärbt. Alles in allem eine Abfüllung, die mich nicht interessiert. Und es gibt den Caledonia, eigentlich eine Sonderabfüllung. 12 Jahre, 46%vol., nicht gefärbt, nicht kühlgefiltert. Hört sich interessanter an.

Five in a Row, ein Line Up aus fünf Whiskys z. B. einer Brennerei oder mit anderer Gemeinsamkeit, die miteinander getastet werden.

Edradour habe ich zu einer Zeit kennengelernt, als die Distillery noch zu Pernod Ricard gehörte. Es war die erste Distillery Tour, die ich gemacht habe, irgendwann 1999 muss das gewesen sein. Die Tour war kostenlos, damals wollte man noch Fans für Whisky gewinnen. Edradour hatte nicht den besten Ruf als Single Malt und auch ich erinnere mich noch an einen besonderen Charakter, der irgendwie wachsig und mineralisch war, etwas seifiger Estragon, der sich von dem unterschied, was ich damals kannte. Aber das war noch nicht viel. Aber ich fand den Geschmack zumindest interessant.

2002 kaufte Andrew Symington die Brennerei, ein unabhängiger Abfüller, der nun zu seiner Marke Signatory Vintage auch eine eigene Brennerei hatte. Symington hatte als unabhängiger Abfüller Erfahrungen mit Fassreifungen und Fassmanagement, was künftig auch die Edradour Whiskys aufwerten sollte. Unter dem Namen Ballechin erschienen zudem rauchige Abfüllungen.

No longer the smallest Distillery in Scotland | © Klaus Bölling, www.boelling.de

Noch 2009 bezeichnete sich Edradour als Smallest Distillery in Scotland, was schon damals nicht mehr zutraf, da 2008 die sehr abgelegene und sehr kleine Abhainn Dearg Distillery auf Lewis die Produktion aufnahm. Heute heißt der Slogan ‚Scotlands little Gem‘, was auf jeden Fall zutrifft. Edradour hat die Kapazität durch eine zweite Distillery auf der anderen Seite des Edradour Burn erweitert, die eine exakte Kopie von Edradour 1 ist.

Mit Andrew Symington sind die Edradour Abfüllungen fassbetonter geworden. Sie wurden dunkler, sherrylastiger und konnten immer öfter als Sherrybombe bezeichnet werden. Ein Eldorado für die Farbtrinker, der Run auf die immer dunkleren Abfüllungen ging los.  Für die Nerds, denen die kühlgefilterte 10jährige Standardabfüllung mit 40%vol. zu dünn war, gibt es in der Signatory Un-Chillfiltered Collection eine 10jährige Einzelfassabfüllung, die jährlich in unzähligen Batches erscheint und so etwas wie die Standardabfüllung für die Nerds wurde. Mit den Jahren wurden die Abfüllungen immer dunkler, die Farbtrinker jubilierten, die Preise stiegen. Aber ist das nicht eine eigentlich schwer genießbare Holzbrühe?

Ähnlich wie bei vielen Signatory-Abfüllungen bin ich der Meinung, man hat übertrieben und sollte wieder auf eine vernünftiges Maß zurückschrauben. Der Boom der Farbtrinker wird ein Ende haben, viele von ihnen werden sich wieder anderen Spirituosen zuwenden oder erkennen, dass einen guten Whisky nicht die Farbe und die Holzextrakte ausmachen.

Nicht nur der Whisky ist dunkel - Edradour Burn | © Klaus Bölling, www.boelling.de

Aber welches ist der beste Edradour? Natürlich sind unter den vielen Einzelfassabfüllungen auch großartige Whiskys, oft wird der Brennerei-Charakter aber auch vom Fass erschlagen. Andrew Symington hat den Charakter des Spirits verändert, die wachsig-mineralische Note ist nicht mehr so auffällig, wie bei meinem ersten Besuch. Aber es ist noch immer ein etwas rauerer Spirit mit kurzer Fermentationszeit aus gedrungenen Brennblasen mit Worm Tubs als Kühlung. Das gibt Charakter und Eigenständigkeit, die ich bei einem guten Highland Whisky erwarte und erhoffe.

Mein Lieblings-Edradour ist die Caledonia Selection. Ein 12jähriger Edradour, entstanden in Kooperation mit dem Sänger Dougie MacLean, dessen gleichnamiger Song dem Whisky den Namen gab. Der Whisky hat 46%vol. Trinkstärke, ist nicht kühlgefiltert und natürlich auch nicht gefärbt. So soll Whisky sein, so macht Whisky Spaß. Vergleicht man hier ältere und aktuelle Abfüllungen, stellt man fest, dass auch dieser Whisky dunkler geworden ist. Und die älteren Abfüllungen haben mehr vom ursprünglichen Edradour-Geschmack. Da der Whisky aber nicht nur aus Sherry Butts stammt, bleiben auch die aktuellen Abfüllungen eigenständig und lecker. Das ist die wahre Standard-Abfüllung von Edradour, auch wenn die Versorgung zwischenzeitlich knapp werden kann. Und es bleibt auf jeden Fall zu hoffen, dass Symington den Whisky im Sortiment behält und nicht irgendwann wie den sagenumwobenen (weil massiv sherrylastigen) 15jährigen Fairy Flag verschwinden lässt.

Five in a Row | Der beste Edradour?