Whisky Week | Edradour | Farm Distillery and Independent Bottler

‚Scotland’s Little Gem‘ ist das neue Motto der Edradour Distillery oberhalb des kleinen Orts Pitlochry an der A 9, die hinauf in die nördlichen Highlands und zur Whiskyregion Speyside führt. Zuvor war man stolz darauf, sich als ‚Scotland’s Smallest Distillery‘ bezeichnen zu können. Das ist vorbei – und nicht nur, weil man die Produktion mit einer geklonten Zweitdestillerie auf der anderen Seite des kleinen Edradour Burn, der pittoresk durch das Gelände der Distillery fließt, verdoppelt hat. Aber ’small‘ zu sein ist ganz ok – ein kleines Juwel zu sein, ist großartig.

Ein Juwel ist die kleine Destillerie schon rein optisch. Etwas abgelegen in einem Tal durch das der torfbraune Edradour Burn fließt, ist die Brennerei mit ihren leuchten weißen Häuschen und den knallroten Toren ein echter Hingucker. Ein gut gepflegter Hingucker zudem, denn auch der Rasen ist immer auf britischen High Level getrimmt.

Aber nicht immer war die Brennerei ein Juwel. Gegründet wurde sie irgendwann um 1825 als klassische Farm Distillery von umliegenden Farmern, die hier ihr Getreide in lukrativeren (und unverderblichen) Alkohol wandeln konnten. Wie bei vielen Distilleries wechselten die Besitzer, bis die Distillery 1982 bei Campbell Distilleries landete, die zu Pernod Ricard gehörten. Die bauten ein Besucherzentrum und brachten 1986 Edradour als Single Malt auf den Markt. Allerdings hatte der Whisky nicht unbedingt den Ruf ein Juwel zu sein, auch kein Little Gem.

Edradour Distillery | © Klaus Bölling, www.boelling.de

Der Whisky galt wohl eher als etwas rau und unzugänglich. 2002 kaufte Andrew Symington die Distillery vom Großkonzern. Symington hatte mit Signatory Vintage einen erfolgreichen unabhängigen Abfüller etabliert, eine eigene Distillery war eine gute Gelegenheit, Whisky zum Tauschen zu haben und sich unabhängiger von den Konzernbrennereien zu machen, die nicht immer willens waren, die Independent Bottler mit Whisky zu versorgen. Und Symington begann, sein Little Gem zu polieren und wieder zum Glitzern zu bringen.

Mit seiner Erfahrung als unabhängiger Abfüller hat er Zugriff auf gute Fässer und bringt nicht nur Edradours mit Sherry-Reifung heraus, sondern nutzt auch vielfältige Weinfässer für die Veredlung des Highland Whiskys, der durch die gestauchten Brennblasen und die Worm Tubs einen robusten und eigenständigen Charakter hat.

Dazu passt dann auch die nach einer nicht mehr existierenden Distillery in der Nähe Ballechin genannte getorfte Version des Edradour. Und so glitzerte das Juwel nicht nur, sondern wurde immer erfolgreicher. Edradour baute neue Warehouses, in denen inzwischen auch viele Fässer aus dem Signatory Bestand lagern und investierte in eine neue Distillery Erdadour 2 direkt auf der anderen Seite des kleinen Edradour Burn. Die Distillery wurde mit dem exakt gleichen Equipment ausgestattet wie Edradour 1.

Edradour Distillery | © Klaus Bölling, www.boelling.de

Natürlich kann nicht alles funkeln, es gibt auch Kritik. Ich mag die Sherry überlagerten tief dunklen Edradours nicht, die aus nassen Fässer stammen, in denen nach meinem Verdacht noch ein paar Liter schwarzes Holz-Sherry-Sirup schwappen, die dem Whisky Farbe geben. Aber Farbe ist nicht alles – auch wenn die Farbtrinker diese Whiskys begeistert vom Markt kaufen. Deshalb erscheinen sie gerade bei Signatory sehr häufig, sind aber nur sehr selten gut. Dabei gibt es so großartige Edradours mit normaler Farbe und komplexer Reifung. Der 12jährige Caledonia ist sicherlich einer der besten Core-Range-Whiskys Schottlands.

Andrew Symington ist übrigens kein fern der Distillery lebenderEigentümer. Wer die Distillery besucht (also das noch möglich war, aber dazu kommen wir gleich …) trifft ihn in Arbeitsklamotten auf dem Gelände oder auf dem Gabelstabler beim Fässertransport. Das passt gut zu dieser Distillery, die so gar nicht snobby ist und ehrliche, ungefärbte Whiskys produziert.

Leider hat die Distillery, die eine der schönstgelegenen und hübschesten ist, die Pandemie bisher schlecht überstanden. Während viele Brennereien im Sommer 2022 wieder für Gäste geöffnet waren, bleibt Edradour abgesperrt und man gibt sich alle Mühe, Menschen von der Distillery fern zu halten. Der Parkplatz ist gesperrt, es gibt keine Haltemöglichkeit, um zumindest ein paar Fotos zu machen. Und man hat in Bauzäune mit Transparenten und Schildern investiert, die keinen Zweifel daran lassen, dass hier niemand parken oder halten soll, dass hier niemand willkommen ist. Das hinterlässt leider einen unsympathischen und bitteren Eindruck von dieser tollen, kleinen Distillery. Vielleicht darf sie ja in den nächsten Jahren wieder für Besucher:innen glitzern, zu hoffen wäre es.

Hier kommen fünf Edradours und Ballechins sowohl als Distiullery Bottling als auch unabhängig abgefüllt von Signatory, was ja eigentlich das gleiche ist.

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