Whisky Week | Blair Athol - Fire in the Orchard
Auf dem Weg in den Norden Schottlands und in die nördlichen Highlands passiert man Perth und kommt dann in eine bergigere Highland-Landschaft, die noch nicht so schroff und wild wie die North West Highlands, mit ihren Bergen, Seen und Tälern aber sicherlich zu den schönsten Landschaften Schottlands gehört. Auch Alfred Barnard war von der Reise von Perth nach Pitlochry fasziniert, als er die Blair Athol Distillery für sein im Jahr 1887 erschienenes Buch über die schottischen Whisky Distillerys besuchte. Barnard war mit der Eisenbahn unterwegs, heutige Touristen sind auf der notorisch überlasteten A 9 unterwegs und fluchen, dass sie nicht zur Autobahn ausgebaut ist. Aber Langsamkeit ist für Schottland keine schlechte Tugend.
Am Städtchen Pitlochry führt die A 9 vorbei, was für den Ort gut ist, die Reisenden aber keinesfalls von einem Abstecher abhalten sollte. Pitlochry ist ein wunderbarer kleiner Ort mit netten Geschäften, geprägt vom Tourismus aber mit einem netten Flair. Die Landschaft gehört zum Naturpark der Cairngorm Mountains, die beeindruckend sind im Winter oberhalb von Pitlochry auch Skisport möglich machen. Der Ort ist also ein willkommener Anlass, auf der Reise in den Norden einen Zwischenstopp einzulegen oder hier die letzten Tage vor der der Rückkehr auf die Fähre in Newcastle zu verbringen. Zumal man hier zwei ikonische Brennereien besichtigen kann.
Natürlich Blair Athol, die direkt am Ortsrand liegt und um die es hier gehen soll. Es gibt aber auch Edradour, etwas außerhalb in idyllischer Landschaft gelegen. Edradour gehört zu keinem Konzern, ist eine kleine Farmbrennerei, die Single Malts produziert und sehr transparente Führungen anbietet, bei denen man auch durch die Lagerhäuser geführt wird, die die Schätze des unabhängigen Abfüllers Signatory Vintage beherbergen. Blair Athol ist eine der vielen Diageo-Brennereien und produziert zu über 90% für die Blends des Konzerns. Und Diageo-Führungen sind immer etwas eigen mit Fotoverbot etc. Aber auch wenn man auf eine Führung verzichten will – die Brennerei sollte man sich auf jeden Fall von außen ansehen und auch einen Blick in den Shop werfen.
Die Cairngorms waren auch schon vor der Legalisierung der Whiskyherstellung ein Zentrum für Illicit Stills. Hier gibt es abgelegene Täler, hier gibt es frisches Wasser, hier war es mühsam für die Excise Men, den Überblick zu wahren. Es gab aber auch schon recht früh eine legale Brennerei, die 1798 unter dem Namen Aldour Distillery die Produktion begann. Erfolgreich war sie nicht und musste schließen. 1825 wurde sie von Robert Robertson übernommen und umbenannt nach einem kleinen Örtchen nördlich von Pitlochry. Dabei müssen die (heutigen) Feinheiten beachtet werden: Der Ort Blair Atholl schreibt sich mit zwei ‘l’, die Brennerei mit einem.
Wichtiger ist, dass Blair Atholl mit Blair Castle der Sitz des Duke of Atholl ist, der wiederum Clanchef des Murray Clans ist. Der derzeitige Duke, der 12. Duke of Atholl, Bruce Murray lebt allerdings nicht auf Blair Castle und lässt sich dort von den Atholl Highlanders schützen, sondern wie sein Vater in Südafrika. Sein Sohn trägt den Ehrentitel Marquess of Tullibardine, womit wir zurück beim Whisky, aber einer anderen Brennerei sind. Tullibardine veröffentlicht die Whiskys aus der Marquess Collection unter dem Namen The Murray. Diese Verbindung wäre damit also auch geklärt.
Aber warum benennt man die Distillery in Pitlochry nach einem kleinen, ein paar Kilometer entfernten Ort? Wahrscheinlich, weil die Umbenennung dem damaligen Duke und vor allem Landlord sicherlich gut gefallen hat und es immer gut ist, den Landbesitzer auf seiner Seite zu haben. Und vielleicht auch, weil es ein cooler Name für eine Brennerei ist. Der alte Name Aldour leitete sich von dem Bach (Bach der Otter) ab, aus dem die Brennerei ihr Prozesswasser pumpte. So ist der Otter auch das Wappentier der Brennerei und ziert das einzig erhältliche Distillery Bottling aus Diageos berühmter Flora & Fauna Serie. Edradour heißt übrigens ‚zwischen zwei Bächen‘.
Ins Portfolio von Diageo ist die Brennerei gerutscht, nachdem sie 1882 vom Wine und Spirit Broker Peter MacKenzie übernommen wurde, der sie zunächst erweiterte und ausbaute. Die Wirtschaftskrise der 1930er Jahre ging nicht an der Brennerei vorüber, sie wurde 1932 geschlossen, die Firma P. MacKenzie & Co. wurde ein Jahr später von Arthur Bell & Sons Ltd übernommen. Blair Athol blieb aber bis 1949 stillgelegt. Dann wurde sie neu aufgebaut und wieder eröffnet. Guinness kaufte schließlich 1985 Arthur Bell & Sons, mit anderen Distillerys des Konzerns wurde daraus UDV und schließlich der weltgrößte Spirituosen-Konzern Diageo.
Blair Athol produziert dabei nicht für die Johnnie Walker Whiskys, sondern – als frühere Distillery von Arthur Bell – für die Bell Blends, für die der charaktervolle Blair Athol der Lead Malt ist. Der kräftige Charakter kommt von einer recht kurzen Fermentation von 46 Stunden in der Woche und einer längeren Fermentation von 104 Stunden am Wochenende. Der Whisky für die Blends lagert vornehmlich in Ex-Bourbon-Fässern, Blair Athol eignet sich mit seinem fruchtig-nussigen Grundcharakter aber auch gut für die Reifung im Sherry-Fass. Und auch wenn der Großteil der Fässer in Blends verschwindet – Blair Athol ist bei den unabhängigen Abfüllern mit vielen interessanten Abfüllungen vertreten und gehört zu meinen Lieblingswhiskys. Bei einem guten Blair Athol sitzt man im Obstgarten, genießt den kräftigen, fruchtigen Dram und nebenan lodert ein trockenes Feuerchen.
Alfred Barnard war übrigens nicht nur von der Landschaft der Grampain Mountains, dem Gebirge der zentralen Highlands bis zum Great Glen mit dem Ben Nevis als höchsten Berg der britischen Insel im Westen und dem Cairngorms Nationalpark begeistert. Er schreibt auch, dass die damals im Besitz von MacKenzie befindliche Destillerie nur die feinste Gerste einkauft und das Torf zum Trocknen des Malzes aus Orkney bezieht. Auch wenn manche Blair Athols heute einen rauchigen Einschlag haben, woher auch immer er kommt – ein Blair Athol mit würzigem Heide-Torf könnte ein Traumwhisky sein. Aber in diesen Konzernzeiten kommt das Malz aus der Diageo Großmälzerei Glen Ord und so bleibt es halt ein Traum.