Peat, Whisky and the Sea | That’s Islay
Fèis Ìle 27. Mai – 04. Juni 2022
Es ist der Sehnsuchtsevent vieler Whisky-Nerds: Fèis Ìle, das alljährliche Islay-Festival, zu dem tausende auf die kleine Hebrideninsel pilgern, die Brennereien belagern und den Festivalabfüllungen hinterherjagen. In Wirklichkeit ist das Festival wahrscheinlich der schlechteste Zeitpunkt um die großartige Insel zu besuchen, deren besonderer Reiz in der Einsamkeit kleiner Orte oder abgelegener Strände liegt und nicht im Kampf um freie Plätze auf der Fähre oder um überfüllte Unterkünfte. Egal – Fèis Ìle bleibt der Whiskyevent im Jahr. Und weil Peat,Whisky and the Sea das Motto dieses kleinen Blogs ist, werden die Festivaltage auch hier in den Tastings gefeiert.
Aber was macht den besonderen Reiz der Insel aus, warum ballen sich gerade hier die Distilleries? Bereits vor dem aktuellen Whisky-Boom mit der gefühlt wöchentlichen Nachricht über die Planung einer neuen Brennerei auf dem Festland oder den Inseln gab es auf Islay, einer Insel mit ca. 3.000 Bewohner:innen, mit den sieben klassischen Distilleries Caol Ila, Bunnahabhain, Bruichladdich, Bowmore, Laphroaig, Lagavulin und Ardbeg eine hohe Dichte an Brennereien. Hinzugekommen sind 2005 Kilchoman und 2018 Ardnahoe. Port Ellen wird reaktiviert, Elixir Distillers plant eine eigene Distillery, eine weitere Farm-Brennerei ist in Planung – und das wird nicht das Ende sein. Dabei sind Straßen und Fährverbindungen bereits heute überlastet. Islay ist quasi ein mythischer Ort der Whisky-Destillation und Brennereien stehen hier besonders im Fokus des Interesses. Woher kommt die Affinität der Ileachs zum torfigen Gerstenbrand?
Abgelegene Buchte, unzugängliche Hügel | Die Insel der Schwarzbrenner
Islay und die benachbarte Halbinsel Kintyre sind historisch wichtige Whiskyregionen. Dass mag zum einen an der Nähe zu Irland liegen, das in Sichtweite liegt. Von dort kamen die Missionare über das Meer und mit ihnen auch das Wissen um die Destillationskunst. Ulster auf der irischen Insel und Kintyre mit dem Westen Schottlands waren zwischen 300 und 800 Teil des skotisch-keltischen Reichs Dariada, die engen Verbindungen blieben aber auch darüber hinaus erhalten.
Wichtiger sind aber wohl die Faktoren Klima und Geografie. Der Golfstrom sorgt für ein mildes Klima, sodass sowohl auf Islay als auch auf Kintyre der Anbau von Gerste möglich ist. Insbesondere die Insel – aber auch die Halbinsel Kintyre – sind vor allem auf dem Seeweg erreichbar, also schwer erreichbar. Das ist eine ideale Voraussetzung für die Etablierung illegaler Destillen, die der Ursprung der späteren Whiskydestillerien sind. Für die Behörden war es schwer, diese Regionen zu kontrollieren, zeitweise gab es auf Islay überhaupt keine Excisemen, die versuchen konnten, die illegale Destillation zu unterbinden oder zu besteuern. Ideale Voraussetzungen für die Bauern, ihre verderbliche Gerste in haltbare Produkte zu verwandeln. Sicherlich war es auch ein eher undankbares Unterfangen, auf einer abgelegenen Insel mit einer Bevölkerung, die den Alkohol nicht nur destillierte, sondern wohl auch in größerem Umfang konsumierte, eine Besteuerung der Produktion durchzusetzen.
Auch die Geografie der Insel kam den legalen und illegalen Brennern zu Gute. Es gab überall ausreichend gutes, weiches Wasser und es gab Torf sowohl zum Trocknen des Getreides und des Malzes als auch zum Beheizen der Stills. Die Insel verfügt über weite, abgelegene Teile wie den Mull of Oa, die kaum zu kontrollieren sind und über zerklüftete Küsten und abgelegene Buchten, die einen Abtransport des Whiskys mit Booten erleichtern. Als 1795 in Schottland die Destillation aufgrund schlechter Ernten untersagt wurde und der Besitzer der Isle of Islay mehr als 90 Brennblasen seiner Pächter sicherstellte, hatten die Kupfer- und Kesselschmiede aus Irland keinen weiten Weg, um andere vorhandene Kessel und Behälter zu Destillen umzubauen. Im späten 18. und beginnenden 19. Jahrhundert wurde Islay zu einem Brennpunkt der illegalen Whiskyproduktion mit vielen oftmals gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Steuereintreibern und Ileachs.
Die Zeit der legalen Destillation auf der Insel startete dann wieder Anfang des 19. Jahrhunderts. Auch wenn Bowmore auf das Jahr 1779 datiert wird, wurde die erste offizielle Lizenz wohl 1816 vergeben. Vielleicht resultiert das frühe Datum auch daher, dass Bowmore zu Beginn nicht durch Pächter betrieben wurde, sondern eigenständiger Besitz war. Im 19. Jahrhundert entstanden immer wieder neue Destillerien, fehlendes Kapital und manchmal auch fehlende Handwerkskunst führten aber immer wieder zum Wechsel von Eigentümern oder zum Schließen der Brennereien. Mit der Zeit gelangten die meisten Inselbrennereien in den Besitz von auf dem Festland ansässigen Eigentümern oder Vertriebsagenturen. So fanden zwar viele Bewohner der Insel Jobs in den Destillerien – die meisten davon waren schlecht bezahlt und die Gewinne blieben auf dem Festland.
Aufschwung nach den Krisen - Einzug der Konzerne
Neben den großen Krisen wie den Weltkriegen und der amerikanischen Prohibition waren es auch Änderungen im Konsumverhalten, die zum Niedergang von vielen Brennereine führten. Whisky wurde im 129. Jahrhundert weniger als Produkt einer einzelnen Brennerei gehandelt, sondern oft als Produkt einer Region. Schon damals standen die Whiskys der Insel Islay für einen robusten Geschmack mit einem besonderen Raucharoma. Hier macht der Torf der Insel den Unterschied, der im Gegensatz zum Torf auf dem Festland einen höheren Anteil von maritimen Pflanzen aufweist. Aber Geschmack wandelt sich und so waren es später die milderen, eleganteren Whiskys der Speyside, die die Kundschaft begeisterten. Im 20. Jahrhundert eroberten die Blender die Märkte mit milderen Blends, die einen hohen Bestandteil günstiger Grain Whiskys enthielten. Weitere Marktanteile gingen für die auf Potstills produzierten Malt Whiskys verloren.
Der richtige Aufschwung kam erst nach der Krise der 1980er Jahre, die erneut zur Schließung von Brennereien führte. Meilensteine waren dabei sicherlich die Wiederbelebung von Ardbeg durch Glenmorangie 1996 und Bruichladdich 2000 durch Mark Reynier, Simon Coughlin und Gordon Wright. Beide Distilleries sind aber auch Beispiele für die Entwicklung der Whiskyindustrie zum Spielball globaler Luxusinvestoren. Ardbeg ging 2004 mit Glenmorangie an den Luxusgüterkonzern LVMH und fällt seitdem mit Whiskys ohne Altersangabe auf, die mit jeweils schönen Marketingstories zu Phantasiepreisen verkauft und tatsächlich auch gekauft werden. Bruichladdich, durch die drei Investoren für 7.5 Mio £ gekauft wurde 2012 für die damalige Rekordsumme von 58 Mio £ an Rémy Cointreau verkauft. Immerhin produziert man dort weiterhin integere Whiskys. Auch die anderen Islay-Brennereien sind in der Hand von Weltkonzernen. Caol Ila und Lagavulin und Port Ellen Maltings (und auch die derzeit im Wiederaufbau befindliche Brennerei) gehören Diageo, Laphroaig und Bowmore gehören Beam Suntory, Bunnahabhain der südafrikanischen Distell Group.
Bewegung kam erst 2005 mit der Gründung der Farmbrennerei Kilchoman durch Anthony Wills, der aus der Weinindustrie kommt. Die geplante Gründung der Gartbreck Distillery am Ufer von Loch Indaal durch den französischen Brenner Jean Donnay und den unabhängigen Abfüller Hunter Laing ist 2017 endgültig gescheitert, Hunter Laing begann im gleichen Jahr mit dem Bau der Ardnahoe Distillery am Sound of Islay zwischen Caol Ila und Bunnahabhain, die Ende 2021 ihren ersten offiziellen Whisky vorstellen konnte. Port Ellen wird 2022 fertiggestellt und ist dann die zehnte aktive Distillery auf der Insel. Am anderen Ende von Port Ellen haben aber bereits die Bauarbeiten für die elfte Distillery begonnen, die von Elixir Distillers geplant wird. Und die zwölfte ist ebenfalls in Planung: Ili Distillery soll auf der Gearach Farm oberhalb von Port Charlotte entstehen. Die Bauarbeiten sollen im Sommer 2022 beginnen. Wenn man jeder Distillery einen eigenen Tag zugestehen will, wird Fèis Ìle bald zwei Wochen dauern …
Klaus Bölling, Mai 2022