Was ist los in Campbeltown?
Campbeltown Malts Festival 24. - 26. Mai 2022
Drei Tage vor Beginn des Fèis Ìle startet an der Spitze der Kintyre Halbinsel das Malts Festival in der einstigen Whiskyhauptstadt Campbeltown. Von einstmals über dreißig Brennereien sind heute noch drei aktiv – aber weitere sind geplant. Aber was ist los in Campbeltown? Die Whiskys der einstmals allenfalls den Freaks bekannten Springbank Distillery, die Wert auf Bodenständigkeit und handwerkliche Produktion legt, verschwinden in Windeseile vom Primärmarkt und werden dann auf Auktionen oder Handelsplattformen zu Wahnsinnspreisen verkauft.
Die Whisky Welt ist irre. Smarte Jungs, die Whisky nicht trinken (vielleicht irgendein Whisky-Derivat im After-Work-Drink nachts um 11 oder halt 1960er Port Ellen, weil der Preis angemessen ist) haben die wunderbare Campbeltown Distillery Springbank zum Hype erkoren und generieren nun massive Gewinne, indem ein Local Barley, der vor noch nicht so langer Zeit teure 80 € gekostet hätte für weit über 1.000 € gehandelt wird. Und natürlich gibt es dann auch ein paar Whisky-Freaks, die in das Spiel einsteigen und alles was aus der Springbank Distillery und der benachbarten Glengyle Distillery stammt, zu Phantasiepreisen vom Markt kaufen. Aber das ist ok, denn die smarten Jungs brauchen die Freaks (klar, nicht die Freaks als Freaks, sondern deren Geld), um ihre Profite zu generieren.
Wie wird das enden? Hoffentlich nicht fatal für Springbank
Wie wird das enden? So wie jedes Schneeballsystem. Diejenigen, die es anstoßen, sacken die Gewinne ein, diejenigen, die 1.000 € für den Local Barley zahlen, setzen 900 € in den Sand, wenn er wieder zu – den immer noch unrealistischen – 100 € gehandelt wird, die ggf. marktgerecht sind. Und wie endet es für die Distillery? Wenn es schlimm kommt: fatal. Denn sie wird von der geachteten Distillery einer kleinen Fangruppe, die den eigenständig rauen Campbeltown-Charakter zu schätzen wussten und bereit waren, für die handwerkliche Produktion Aufschläge zu zahlen, zur verachteten Distillery der Flipper und Poser.
Und so widme ich mich zum diesjährigen Campbeltown Malts Festival, das an den drei Tagen vor dem weitaus bekannteren Fèis Ìle auf Islay stattfindet, nicht den drei derzeitigen Campbeltown Distilleries, sondern allein der Glen Scotia Distillery, die zur Loch Lomond Group gehört, deren Eigentümerin die (sicherlich verachtenswerte) Hillhouse Capital Group aus Hongkong ist. Und die trotzdem großartigen Whisky macht.
Campbeltown ist die neue Boom-Region
Im Zuge des Springbank-Hypes finden natürlich auch die Glen Scotia Whiskys mehr Beachtung, denn Campbeltown ist die neue Boom Region. Nachdem auf Islay auf jeden halbwegs verfügbaren Grundstück bereits eine neue Destillerie geplant ist, sind nun auch in Campbeltown neue Planungen am Start. In ein paar Jahren werden drei Tage Festival nicht mehr ausreichend sein.
Glen Scotia produziert noch immer Whiskys, die nicht zu sehr überteuert sind. Betrachtet man die komplette Range, ist das Bild noch nicht einheitlich. Es gibt integre Whiskys mit Age Statement, ungefärbt und nicht kühlgefiltert. Und es gibt noch immer Whiskys mit Farbstoff, Schande! Glen Scotia wirft eine Vielzahl von Whiskys auf den Markt, darunter auch immer wieder Serien von Einzelfässern. Da ist viel Mittelmaß dabei.
Die Glen Scotia Festivalabfüllungen
Was auffällt, ist in jedem Jahr die Festivalabfüllung. Hier gelingt es Glen Scotia in den letzten Jahren, jeweils ein limitiertes Batch auf den Markt zu bringen, das sich von den Sonder- und Festivalabfüllungen anderer Distilleries positiv abhebt. Die Abfüllungen haben ein definiertes Alter, sind nicht gefärbt und nicht kühlgefiltert, werden in guten Fässern gereift und nicht in irgendwelchen sherrysirupgetränkten Holzbottichen aromatisiert. Die Abfüllungen sind limitiert, sie sind aber nicht nur für dreikommazwei Sekunden im Online-Shop erhältlich. Sie sind verfügbar, auch im Laufe des Jahres. Es gibt bisher keinen Hype, es gibt tolle Whiskys. Sie sind also das Gegenteil der modernen Finish-Whiskys, die Signatory-Kirsch gerne zu Phantasiepreisen in irgendwelchen Decantern und Vasen auf den Markt wirft. Und das Gegenteil zu den Commitee-Zumutungen, mit denen Ardbeg der Whiskywelt das Geld aus der Tasche zieht. Es gibt also zwei Möglichkeiten: Entweder pennen sie in Hongkong und Campbeltown – oder sie verstehen wirklich etwas von Whisky und haben die Zukunft im Blick.
Klaus Bölling, Mai 2022
Zum Campbeltown Malts Festival gibt es hier deshalb zunächst eine Festival-Abfüllung von 2018, dann eine 10jährige Sonderabfüllung aus dem Herbst 2019 und Abschluss natürlich die Festivalabfüllung 2022. Insgesamt also drei hervorragende Campbeltown Whiskys an den drei Festivaltagen.